Orte am Rand - Roma und Sinti in Wien Thema: Betteln

Kapitel 13Fortsetzung der Ausgrenzung


Zigeuner sein, 1970 Der schwedisch-deutsche Dokumentarfilmer Peter Nestler interviewte für seinen 1970 vom schwedischen Fernsehen produzierten Film »Zigeuner sein« Roma im Burgenland zu ihrer Verfolgung im NS-Regime. Buch und Regie: Peter Nestler,
Filmausschnitt, S/W, Format: 4:3

© Sveriges Television

Den überlebenden Roma und Sinti wurde viele Jahre jegliche Form der Entschädigung verweigert. Das betraf auch ihre in der NS-Zeit zerstörten Häuser, die oft auf Gemeindegrund standen, wodurch Dokumente zum Nachweis ihres Besitzes fehlten.

Erst ab 1949 hatten Opfer rassistischer Verfolgung Anspruch auf Berücksichtigung durch das Opferfürsorgegesetz. Roma und Sinti wurde allerdings zunächst die Anerkennung verweigert, wiederholt mit der Begründung, dass sie als »Asoziale« deportiert worden wären. Erst mit Hilfe von Anwälten konnten sie ab den 1960er-Jahren ihre Ansprüche durchsetzen.

Schreiben des Bundesministeriums für Inneres an alle Sicherheitsdirektionen und Bundespolizeibehörden betreffend »Zigeunerunwesen«, 20. September 1948
Romano Centro, Wien Schreiben des Bundesministeriums für Inneres an alle Sicherheitsdirektionen und Bundespolizeibehörden betreffend »Zigeunerunwesen«, 20. September 1948 Fotokopie aus: Erika Thurner, Nationalsozialismus und Zigeuner in Österreich (Veröffentlichungen zur Zeitgeschichte, Hg. Erika Weinzierl, Ernst Hanisch, Karl Stuhlpfarrer, Bd.2), Wien/Salzburg 1983 Anhang XXVIII

Das Schreiben zeigt die Fortsetzung der Ausgrenzung nach 1945. Besonders perfideerscheint, dass den Roma und Sinti unterstellt wird, sich als »KZ-ler« auszugeben, um sich Vorteile zu verschaffen; somit wird die Deportation in die Konzentrationslager und der Völkermord in Abrede gestellt.

Bis 1961 bekamen die Überlebenden des »Zigeunerlagers« Lackenbach sowie ähnlicher Lager keinerlei Haftentschädigung. Viele blieben auch später von der Auszahlung einer Haftentschädigung ausgeschlossen, da sie als »vorbestraft« galten, wenn sie vor 1938 gegen eine der zahlreichen Sonderregelungen für »Zigeuner« verstoßen hatten.

Erst nach 1995 wurden viele Opfer aus Mitteln des NS-Opferfonds, des 1998 geschaffenen Zwangsarbeiterfonds und des 2001 eingerichteten Allgemeinen Entschädigungsfonds für ihre Verluste und Leiden entschädigt. (Gerhard Baumgartner)

Inhaltlicher Schwerpunkt / Vermittlungsansatz

Die Diskriminierung geht nach 45 weiter

Erst ab 1949 wurden auch Opfer rassischer, religiöser und nationaler Verfolgung vom Opferfürsorgegesetz anerkannt und erhielten einen Opferausweis, wenn sie in einem KZ inhaftiert gewesen waren, jedoch nicht, wenn sie z.B. »nur« in einem Arbeitslager wie Lackenbach in Burgenland (siehe: NS-Verfolgung und Völkermord), eingesperrt waren. Erst ab 1961 erhielten auch sie eine einmalige Entschädigung für die »Freiheitsbeschränkung« von ÖS 350,-/ Haftmonat. KZ-Überlebende erhielten ÖS 860,-/ Haftmonat. Überlebende der Arbeitslager erhielten überhaupt erst ab 1888 eine Opferfürsorgerente, aber nur, wenn sie nicht vorbestraft, bedürftig und beschränkt erwerbsfähig waren. Jedoch viele Roma und Sinti waren hauptsächlich als »Asoziale« und aufgrund der diskriminierenden Gesetze bereits vorbestraft in die Arbeitslager bzw. Konzentrationslager eingeliefert worden, und hatten daher keinen Anspruch auf eine Opferfürsorgerente.
In einer Einstiegsübung, in der mit einem Originalschreiben des Innenministeriums gearbeitet wird, soll die Vorgehensweise von Institutionen drastisch vor Augen geführt werden. Weitere Übungen wie Filmscreening eines sehr aufschlussreichen Dokumentarfilms von 1970 über das Leben nach dem Völkermord und Text-und Bildvergleiche der Stojka-Familie sollen über die Schwierigkeiten der Überlebenden aufklären.

Literatur / zur Vorbereitung für die Lehrpersonen:

Für diesen Bereich ist Vorwissen über den Holocaust an Roma und Sinti in Österreich erforderlich