Kapitel 20: Selbstorganisationen Kapitel 22: 4. Februar 1995

Kapitel 21Atsinganos. Die Oberwarter Roma und ihre Siedlungen

Die drei Oberwarter Siedlungen

Beitrag nach dem gleichnamigen Buch von Stefan Horvath (Oberwart 2013)


Die erste Roma-Siedlung in Oberwart ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts belegt. Im Juni 1939 begannen die Deportationen in die Konzentrationslager. Die Häuser der mehr als 350 EinwohnerInnen wurden angezündet, Hab und Gut wurde vernichtet oder verteilt. Die wenigen Überlebenden standen nach ihrer Rückkehr nach Oberwart 1945 vor dem Nichts. Ehemalige NS-Politiker und Beamte hatten nach wie vor das Sagen. Mit Hilfe der sowjetischen Kommandantur wurde 1946 zuerst eine Baracke, 1952 wurden die ersten Häuser in unmittelbarer Nähe zur städtischen Mülldeponie errichtet. Die zweite Siedlung musste 1969 dem neuen Krankenhaus weichen, wobei zunächst versucht wurde, die BewohnerInnen in andere Gemeinden ab zu siedeln. Als dies nicht gelang, wurde 1972 die dritte, heute noch bestehende Siedlung errichtet. Sie liegt noch weiter vom Oberwarter Stadtkern entfernt, hatte anfangs keine asphaltierten Straßen, keine Beleuchtung, lag im Niemandsland. Erst seit den 1990er-Jahren, nach der Gründung eines eigenen Vereins konnten Verbesserungen durchgesetzt werden.

ie Lage der zweiten Roma-Siedlung (im Hintergrund rechts, im Vordergrund das alte Krankenhaus von Oberwart), vor 1972
Stefan Horvath, Oberwart Die Lage der zweiten Roma-Siedlung (im Hintergrund rechts, im Vordergrund das alte Krankenhaus von Oberwart), vor 1972

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Stefan Horvath wurde 1949 in der zweiten Oberwarter Siedlung geboren. Er war der erste unter den Oberwarter Roma, der eine Hauptschule besuchte, später arbeitete er bei Baufirmen in Wien und schaffte es zum Betriebsrat und Polier. Im Februar 1995 traf ihn der schwerste Schicksalsschlag. Beim Bombenattentat in der Siedlung kam einer seiner Söhne ums leben. Es war jedoch auch der Beginn seines Schreibens.

Die Baracke. Im Vordergrund Josef »Kuku« Nardai mit seinem Sohn, o.J.
Stefan Horvath, Oberwart Die Baracke. Im Vordergrund Josef »Kuku« Nardai mit seinem Sohn, o.J.

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