Kapitel 20Selbstorganisationen
Die Bemühungen, den Prozess der Selbstorganisation und Emanzipation auf eine internationale Ebene zu stellen, führten 1971 zur Gründung des »Internationalen Romani-Kongresses«. Ziel war der gemeinsame Kampf gegen politische und gesellschaftliche Marginalisierung. »Roma« wurde als offizielle Selbstbezeichnung gewählt, eine Flagge entworfen und Gelem, Gelem zur Hymne der Roma erklärt. Das Motto lautet bis heute: »Opre Roma! – Roma, erhebt euch!«
Der erste österreichische Roma-Verein wurde 1989 in Oberwart gegründet. Auslöser war das Lokalverbot für Roma in einer örtlichen Diskothek. Weitere in den 1990er-Jahren gegründete Vereine setzten sich vor allem für die Anerkennung der Roma als Volksgruppe sowie für Entschädigungszahlungen an NS-Überlebende ein. Die Holocaust-Überlebende und Künstlerin Ceija Stojka war eine der ersten, die mit ihrem Buch »Wir leben im Verborgenen« 1988 an die Öffentlichkeit trat.
Die Anerkennung der autochthonen Roma als Volksgruppe machte auch die Frage der Vertretung der allochthonen, zumeist aus dem ehemaligen Jugoslawien zugewanderten Roma, virulent. Das führte zu weiteren Vereinsgründungen. (Cornelia Kogoj)
Inhaltlicher Schwerpunkt / Vermittlungsansatz
Für Roma und Sinti in Österreich war und ist die Selbstorganisation in Vereinen ein Ausdruck der Emanzipation und des selbstbewussten Umgangs mit der eigenen Identität. 1993 führte dies durch intensive Bemühungen engagierter Roma und Nicht-Roma zur Anerkennung als Volksgruppe und der damit verbundenen Hoffnung eines Endes von Diskriminierung und Ausgrenzung. Hintergrundwissen über die Volksgruppen in Österreich, Roma-Vereine und persönliche Ansichten von Roma und Nicht-Roma zu diesen Themen werden in diesem Kapitel vermittelt. Die Schüler/innen erarbeiten sich die Inhalte und reflektieren ihre eigenen Erfahrungen mit Selbstengagement und Selbstwahrnehmung.
Für diesen Bereich ist Vorwissen über Roma und Sinti in Österreich erforderlich, das anhand folgender Ausstellungskapitel im Unterricht erarbeitet werden kann:
- Romane Thana. Orte der Roma und Sinti
- Die Heimat der Roma ist ihre Sprache
- Der Blick von außen
- »Zigeunerromantik« – Faszination und Verachtung
- Kriminalisierung und Rassismus
- Orte am Rand – Die Roma-Siedlungen im Burgenland
- Orte am Rand – Roma und Sinti in Wien
- NS-Verfolgung und Völkermord
- Fortsetzung der Ausgrenzung
Literatur / zur Vorbereitung für die Lehrpersonen:
- Katalogbeitrag »Roma in Österreich, österreichische Roma-Politiken – Weichenstellungen in der Zweiten Republik«, insbes. Abschnitt »Ein Vierteljahrhundert Roma-Bewegung« von Erika Thurner
- Interviews von Cornelia Kogoj mit Rudolf Sarközi, Andrea Härle, Mirjam Karoly und Ursula Hemetek
- Volksgruppen – die österreichische Rechtslage: Gemäß § 1 Absatz 2 Volksgruppengesetz sind unter Volksgruppen »die in Teilen des Bundesgebietes wohnhaften und beheimateten Gruppen österreichischer Staatsbürger mit nichtdeutscher Muttersprache und eigenem Volkstum« zu verstehen. Als österreichische Staatsbürger haben Volksgruppenangehörige dieselben Rechte wie jeder andere österreichische Staatsbürger. Darüber hinaus gibt es jedoch einige Rechtsvorschriften und Bestimmungen, die besondere Regelungen für »autochthonen Volksgruppen« und »sprachliche Minderheiten« enthalten. (http://www.bundeskanzleramt.at/site/3515/default.aspx)