Kapitel 15.1Betteln
Rechtlicher und behördlicher Umgang mit Bettlerinnen und Bettlern
Der Verfassungsgerichtshof hat 2012 entschieden, dass Betteln grundsätzlich erlaubt sein muss und sich dabei auf das Recht auf freie Meinungsäußerung berufen. Seither haben viele Bundesländer eigene Regelungen eingeführt, die das Recht zu betteln möglichst beschränken. So ist »gewerbsmäßiges« Betteln ebenso verboten wie »aggressives« oder Betteln »als Beteiligter einer organisierten Gruppe«.
Dass Bettlerinnen und Bettler von der Polizei bestraft werden, ist an der Tagesordnung. Neben den Einschränkungen durch eigene Verordnungen oder Gesetze kommen dabei auch Strafen nach der Straßenverkehrsordnung, dem Eisenbahngesetz oder dem Sicherheitspolizeigesetz zur Anwendung. Häufig werden in den Strafverfügungen auch Sachverhalte genannt, die nach den geltenden Gesetzen gar nicht strafbar sind. Viele Anzeigen werden von der Polizei erst Monate nach den behaupteten Vorfällen angezeigt, die Beweislage ist entsprechend schwierig. Der Aufwand der Behörden ist riesig: Allein in Salzburg wurden 4.000 Polizeikontrollen in 16 Monaten durchgeführt – die viel beschriebene »Bettelmafia« wurde dabei nicht gefunden.
Die BettelLobbyWien, eine Initiative engagierter MenschenrechtsaktivistInnen, veranstaltet seit September 2013 einmal im Monat ein Rechtshilfetreffen, um den Betroffenen zu helfen, Rechtsmittel gegen ihre Strafbescheide einzulegen. Bisher wurden ca. 70 Einsprüche bzw. Beschwerden verfasst. Die österreichischen BettelLobbys haben für ihre Tätigkeit 2014 den Menschenrechtspreis der Österreichischen Liga für Menschenrechte erhalten. (Andrea Härle)
Inhaltlicher Schwerpunkt / Vermittlungsansatz
»Das Thema Betteln ist in den letzten Jahren permanent in den Medien. Dabei wurden die bettelnden Menschen aus »Osteuropa« so häufig als »Roma« dargestellt, dass die Begriffe »Bettler« und »Roma« schon fast zu Synonymen geworden sind«, heißt es im Beitrag zur Ausstellung »Unwesen, Schande, Mafia« (PDF Download siehe Literatur unten). Die folgenden Unterrichtsmaterialien setzen den Schwerpunkt auf die Recherche, das Hinterfragen und Diskutieren von Medienberichten zum Thema Betteln, die Untersuchung von Sprache als Instrument der Kriminalisierung und Diskriminierung (z.B. »Bettelmafia«, »Bettlerunwesen«) sowie auf die persönliche Situation von Menschen, die im Zuge temporärer Migration zum Betteln nach Österreich kommen. Dadurch soll ein kritischer Medienkonsum angeregt und die Wahrnehmung von wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sowie von persönlichen Lebensgeschichten geschärft werden.
Literatur / zur Vorbereitung für die Lehrpersonen:
- Katalogbeitrag »Unwesen, Schande, Mafia«
- Katalogbeitrag »Migration als Überlebensstrategie«