Kapitel 7: Kriminalisierung und Rassismus Kapitel 9: Orte am Rand - Roma und Sinti in Wien

Kapitel 8Orte am Rand – Die Roma Siedlungen im Burgenland


Die Ansiedlung einer Gruppe ungarischer Roma im Jahre 1674 auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes durch den Grafen Batthyány ist der älteste Beleg für die jahrhundertelange Beheimatung der österreichischen Sinti und Roma. Durch die Zwangsansiedlung unter Maria Theresia und ihrem Sohn Joseph II. entstanden in vielen Dörfern im heutigen Burgenland eigene Roma-Siedlungen.

Razzia in einer Roma-Siedlung, 1930er-Jahre
SW-Fotografie Razzia in einer Roma-Siedlung, 1930er-Jahre

Burgenländisches Landesarchiv Eisenstadt

Die mehr als 300 sog. »Zigeunerfotos« in den burgenländischen Sammlungen (Landesarchiv, Landesmuseum) aus der Zwischenkriegszeit waren Teil einer Politik der Kontrolle und fortgesetzten Stereotypisierung der Minderheit. Mehrere Motive lassen sich identifizieren: die erkennungstechnische Erfassung der Siedlungen und ihrer BewohnerInnen, die Propagierung einer »Zigeunerplage« im öffentlichen Diskurs sowie die Legitimierung der Polizeiarbeit. Aus diesen Gründen zeigen die Aufnahmen häufig bewaffnete Gendarmen in Aktion, die ein Gefährdungspotential suggerieren, sowie Rückständigkeit und Ärmlichkeit der Menschen betonen. Ein Teil der Aufnahmen wurde zeitgenössisch in Publikationen der Gendarmerie publiziert (»Gendarmerie Rundschau«). Tatsächlich weiß man, dass die Roma zwar von der Wirtschaftskrise dieser Jahre besonders betroffen waren, ihre Siedlungen sich aber in vielen Fällen nicht wesentlich von jenen der burgenländischen Mehrheitsbevölkerung unterschieden haben. (Werner Michael Schwarz/Susanne Winkler)

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg ihre Bevölkerungszahl sprunghaft an, sodass in der Zwischenkriegszeit rund 8.000 Roma in 124 Siedlungen lebten, die sich großteils außerhalb der Ortschaften auf Gemeindegrund befanden. Überwiegend waren die Roma arme Landarbeiter und Tagelöhner. Zur Aufbesserung ihres Lebensunterhaltes arbeiteten sie auch als Kesselflicker, Messerschleifer, Korbflechter und Wagner oder waren Musikanten.

»Zigeunersiedlung am Neusiedlersee N.D.«, nach 1938
Ansichtskarte, Foto: K. Allmann »Zigeunersiedlung am Neusiedlersee N.D.«, nach 1938

Landesmuseum Burgenland

Nach der Deportation der burgenländischen Roma in die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager wurden die meisten Roma-Siedlungen von der ansässigen Bevölkerung dem Erdboden gleichgemacht. Größere Siedlungen finden sich heute nur noch in Oberwart, Unterwart und Spitzzicken. (Gerhard Baumgartner)

»Oberwarth Zigeunerkolonie«, 1930er-Jahre
Ansichtskarte »Oberwarth Zigeunerkolonie«, 1930er-Jahre

Landesmuseum Burgenland

Inhaltlicher Schwerpunkt / Vermittlungsansatz

Der historische Blick auf die Situation der Roma-Siedlungen im Burgenland, insbesondere in der Zwischenkriegszeit in den 1920er & 1930er Jahren, konzentriert sich auf folgende Themen:

  • Ausgrenzung: der Großteil der Roma im Burgenland lebt in Siedlungen außerhalb der Dörfer; Roma-Kinder haben entweder keine Schulbildung oder werden separat, in eigenen »Zigeunerschulen« unterrichtet
  • Ãœberwachung, Kontrolle und Stereotypisierung: insbesondere durch die Polizei, die dadurch das Bild, das die Mehrheitsbevölkerung von Roma hat, entscheidend prägt
  • Erste Ãœberlegungen zu Deportation und Zwangsarbeit der ansässigen Roma während der »Zigeunerkonferenz« am 15. Jänner 1933 in Oberwart (eine Vorwegnahme der Verbrechen während der NS-Zeit)

Durch historische Bild-Text Vergleiche soll eine differenzierte Wahrnehmung entstehen. Das historische Material über die Ausgrenzung, Überwachung, Kontrolle und Stereotypisierung der Roma im Burgenland erlaubt auch manche Vergleiche mit heutigen Geschehnissen im Zusammenhang mit Minderheitengruppen und erhält dadurch erstaunliche Aktualität.

Zur Vorbereitung für die Lehrpersonen: