Der Romano Than Floridsdorf Fortsetzung der Ausgrenzung

Kapitel 12Orte der Rückkehr


Die Überlebenden des Genozids waren nach der Befreiung auf sich allein gestellt und Misstrauen und Anfeindungen ausgesetzt. Sie suchten ihre Angehörigen und mussten sich eine neue Existenz aufbauen.

Karl Stojka, um 1950
SW-Fotografie Karl Stojka, um 1950

Familie Stojka, Wien

Lovara-Familien in Wien, die vor dem Krieg als Pferdehändler tätig waren, versuchten nachdem Krieg zunächst, dieses Geschäft wieder aufzunehmen. Die fortschreitende Mechanisierung zwang sie bald dazu, sich neue Erwerbsmöglichkeiten zu suchen. Über gut zwei Jahrzehnte bildete der Handel mit Orientteppichen die Lebensgrundlage vieler Familien, zunächst ambulant, auf Jahrmärkten, später in Geschäften in der Stadt.

»Nach dem KZ mit den großen Freundinnen«, 1947
SW-Fotografie »Nach dem KZ mit den großen Freundinnen«, 1947

V. l. n. r.: zwei Freundinnen, Schwester Mitzi und Ceija Stojka

Familie Stojka, Wien

Verfolgung und Massenmord haben die Überlebenden psychisch schwer traumatisiert, der nach 1945 fortgesetzte Antiziganismus, die fehlende Anerkennung ihres Leides und ihrer Ansprüche machte es schwer, außerhalb der Familien darüber zu sprechen. Erst in den späten 1980er-Jahren traten Überlebende, wie Ceija Stojka, mit eigenen Zeugnissen an die Öffentlichkeit. Das Attentat in Oberwart 1995 erschütterte allerdings die Hoffnungen auf eine Überwindung der Traumata. (Andrea Härle)

Johann »Mongo« Stojka beim Pallas-Athene-Brunnen vor dem Parlament, 1951
SW-Fotografie in Kunstlederrahmen Johann »Mongo« Stojka beim Pallas-Athene-Brunnen vor dem Parlament, 1951

Familie Asenbaum-Stojka, Wien

Beim Teppichhandel am Jahrmarkt, 1960er-Jahre
SW-Fotografie Beim Teppichhandel am Jahrmarkt, 1960er-Jahre

V. l. n. r.: unbekannt (sitzend), Johann »Goka« Florian, Johann Horvath, Hanki Florian, Maria »Mitzi« Florian und ein Arbeiter

Willi S. Horvath, Wien

Inhaltlicher Schwerpunkt / Vermittlungsansatz

Wider die Auslöschung!

Lebensgeschichten spielen in der Geschichtsvermittlung eine wichtige Rolle. Sie rücken die Einzelschicksale in den Vordergrund und personalisieren somit historische Daten und Fakten. Sie verdeutlichen wie sich historische Zusammenhänge unmittelbar auf das Leben der Menschen ausgewirkt haben. Vor allem die Geschichte der Roma und Sinti wird oft von Außenperspektiven geprägt. Ihre Lebensgeschichten zeigen zum Beispiel die konkreten Folgen von Ausgrenzung und Diskriminierung auf ihren Werdegang auf.

Die wenigen Überlebenden des Genozids an den europäischen Roma und Sinti sind wichtige Zeitzeugen, die von dem Grauen der Verfolgung berichten können. Zu ihnen zählen zum Beispiel Ceija Stojka und ihre Geschwister. Bereits als kleine Kinder kamen sie in die Konzentrationslager der Nationalsozialisten. In bildnerischen Werken und Büchern versuchten sie die traumatischen Erlebnisse aufzuarbeiten. Das ist umso beachtenswerter, weil wenige von ihnen aufgrund des Schulverbots durch die Nationalsozialisten überhaupt eine Schulbildung hatten und schriftliche Überlieferungen in der Kultur der Roma und Sinti nicht üblich waren, da man Geschichte nur über Erzählungen und Lieder weitergab. Somit stellte Ceijas Buch »Wir leben im Verborgenen« 1988 ein zweifaches wichtiges »Outing« dar, einmal gegenüber der Öffentlichkeit, in der die Geschichte der Roma und Sinti bis dato weitgehend ignoriert wurde, und andererseits innerhalb der Volksgruppe. Das Buch stellte somit auch einen Startschuss für eine selbstbewusstere Präsenz nach außen hin dar.

In einer Einstiegsübung soll aus Einzelinformationen eine Kurzbiografie zusammengesetzt werden. Ideen und Vorstellungen der Schüler/innen vom Leben der Roma und Sinti sollen dabei einfließen. Weiterführend steht die Lebensgeschichte der Künstlerin und Zeitzeugin Ceija Stojka im Mittelpunkt. Anhand ihrer Bilder und Texte sollen ihre traumatischen Erinnerungen an den Nationalsozialismus erfasst werden. Zur Vertiefung sollen weitere Biografien von Holocaust-Überlebenden sichtbar machen, wie Vorurteile in Vergangenheit und Gegenwart zur Ausgrenzung und Diskriminierung führen.

Literatur /zur Vorbereitung für die Lehrpersonen:

Katalogbeiträge:

Für diesen Bereich ist Vorwissen über Roma und Sinti in Österreich erforderlich, das anhand folgender Ausstellungskapitel im Unterricht erarbeitet werden kann: