Kriminalisierung und Rassismus Orte der Rückkehr

Kapitel 10NS-Verfolgung und Völkermord


Ceja Stojka Regie: Karin Berger, Österreich 1999, 35 mm, 80 min. 2005 drehte Karin Berger einen weiteren Film mit Ceija Stojka »Unter den Brettern hellgrünes Gras«. Ceija Stojka erzählt darin, wie sie als Kind die Konzentrationslager Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen überlebt hat. Die Filme können über die Produktionsfirma Navigator Film (Link: http://www.navigatorfilm.com) zur Vorführung/Verwendung in der Schule bezogen werden.

Die Verfolgung der Roma und Sinti durch die Nationalsozialisten war rassistisch motiviert und beruhte auf der Vorstellung, dass ihre erblichen Anlagen ein »asoziales« Verhalten erzwingen würden.

Auch beklagten die Nationalsozialisten die Fürsorgekosten, die den Gemeinden durch die Verarmung der meisten Roma und Sinti im Zuge der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre entstanden waren. Sofort nach dem »Anschluss« 1938 wurden sie aller Bürgerrechte beraubt und arbeitsfähige Männer und Frauen zur Zwangsarbeit verpflichtet. Im Burgenland wurden die schulpflichtigen Kinder vom Schulbesuch ausgeschlossen.

Ab 1940 begann die schrittweise Deportation aller Roma und Sinti in Konzentrations- und Vernichtungslager. 1941 wurden 5.000 österreichische Roma und Sinti in das Ghetto Litzmannstadt deportiert und später im Vernichtungslager Chelmno ermordet. 1943 folgten die Massendeportationen tausender Roma und Sinti nach Auschwitz-Birkenau. Von den rund 12.000 österreichischen Roma und Sinti wurden mehr als 10.000 im Holocaust ermordet oder kamen durch die Lagerbedingungen ums Leben. (Gerhard Baumgartner)

Stefan Hodosch (Häftlingsnummer 17039) und andere Roma im Konzentrationslager Dachau, 20. Juli 1938
SW-Fotografie Stefan Hodosch (Häftlingsnummer 17039) und andere Roma im Konzentrationslager Dachau, 20. Juli 1938. Fotograf: Friedrich Franz Bauer.

© Bundesarchiv, Bild 152-27-11A.

Arbeits-, Konzentrations- und Vernichtungslager

Nach der Verschleppung kleinerer Gruppen im Sommer 1938 folgte 1939 die Deportation hunderter österreichischer Roma und Sinti als Zwangsarbeiter in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Ravensbrück.

Häftlingskarte des »Zigeuner-lagers« Lackenbach für Magdalene Bihary, 1942
Papier Häftlingskarte des »Zigeuner-lagers« Lackenbach für Magdalene Bihary, 1942

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), Wien

Die Häftlingskarte enthält mehrere Einträge, u.a. die Zuweisung zu einem Arbeitsplatz in Lackenbach, sowie zwei Notizen über Magdalena Biharys Flucht aus dem Lager. Ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt.

Durch den sogenannten »Festsetzungserlaß« wurden im Herbst 1939 Städte und Gemeinden verpflichtet, Anhaltelager für Roma und Sinti einzurichten. In Salzburg entstanden die Lager am Trabrennplatz und in Maxglan, in Wien im 10., 11. und 21. Bezirk auf der Hellerwiese, bei der Wankogstätt’n und am Bruckhaufen. Im Sommer 1940 wurden hunderte Roma und Sinti in Zwangsarbeitslager in der Obersteiermark und in Niederösterreich eingewiesen, in Triebendorf, Kobenz, St. Lambrecht, Hinterberg, Unzmarkt, Zeltweg, St. Georgen ob Judenburg oder Preg.

Abtransport der Roma von Jois nach Lackenbach, 21. September 1941
Fotoreproduktion Abtransport der Roma von Jois nach Lackenbach, 21. September 1941

Franz Hillinger, Jois

Im Herbst 1940 wurde im burgenländischen Lackenbach das größte »Zigeunerlager« des Deutschen Reiches eingerichtet mit insgesamt 4.000 Häftlingen. Ab 1941 wurde das Arbeitslager auch zum Sammellager für die großen Deportationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager in Polen. Bei der Befreiung 1945 waren nur mehr rund 300 Häftlinge am Leben. Ein kleineres Arbeits- und Sammellager bestand in der oberösterreichischen Gemeinde Weyer. (Gerhard Baumgartner)

Inhaltlicher Schwerpunkt / Vermittlungsansatz

Roma und Sinti waren schon vor der NS-Zeit Ausgrenzung und Diskriminierung ausgesetzt. Besonders in der Zwischenkriegszeit verstärkten sich die sozialen Spannungen aufgrund der Verarmung der Bevölkerung und der steigenden Fürsorgekosten für die Roma und Sinti. Bei der »Zigeunerkonferenz« in Oberwart, einem Treffen von burgenländischen Landespolitikern, im Jahr 1933 wurden bereits Ideen zur »Lösung der Zigeunerfrage« wie die Einweisung in Zwangsarbeitslager, Sterilisation und Deportation vorgedacht, die schließlich von den Nationalsozialisten realisiert werden sollten. (Siehe auch: Link: Orte am Rand – Die Roma Siedlungen im Burgenland)

In Österreich waren rund 12.000 Roma und Sinti der NS-Verfolgung ausgesetzt. Rund 90% der österreichischen Roma wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Sie fielen in Zwangsarbeits- und Konzentrationslagern Hunger und Krankheiten zum Opfer oder wurden gezielt getötet. Dieser Völkermord, den die Roma selbst als »Porajmos« (deutsch: »das Verschlingen«) bezeichnen, ist heute weitgehend unbekannt. Die wenigen Überlebenden des Genozids an den europäischen Roma und Sinti sind wichtige Zeitzeugen, die von dem Grauen der Verfolgung berichten können.

Ãœbungen:
  • Zur Einführung: Die »Zigeuner« im Lichte der Rassengesetze (Textanalyse)
  • Künstlerische Aufarbeitung: Ceija Stojka (Bildanalyse/Schreibmeditation)
  • Selbstdarstellung/Fremddarstellung: Karl »Wacker« Stojka
  • Orte des Zwangs und der Vernichtung: Anhaltelager Hellerwiese, Zwangsarbeiterlager Weyer und Lackenbach (Bildanalysen)
  • Zeitzeugengespräche – Filmscreenings: Ceija Stojka, 1999, Karin Berger und »Zigeuner« sein, Dokumentarfilm 1970, Peter Nestler
  • Zur Vertiefung: Lebensgeschichte von Sidonie Adlersburg

Literatur /zur Vorbereitung für die Lehrpersonen:

Katlogbeiträge:

Gerhard Baumgartner, Der Genozid an den österreichischen Roma und Sinti.

Werner Michael Schwarz, Susanne Winkler, Die Fotografien der »Rassenhygienischen und Bevölkerungsbiologischen Forschungsstelle (RHF)«.

Weiterführendes Unterrichtsmaterial:

Das Schicksal der europäischen Roma und Sinti während des Holocaust. Informationen und Lernanregungen zum Völkermord an den Roma und Sinti: >> Link: www.romasintigenocide.eu

Für diesen Bereich ist Vorwissen über Roma und Sinti in Österreich erforderlich, das anhand folgender Ausstellungskapitel im Unterricht erarbeitet werden kann: