Kapitel 8Orte am Rand – Die Roma Siedlungen im Burgenland
Die Ansiedlung einer Gruppe ungarischer Roma im Jahre 1674 auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes durch den Grafen Batthyány ist der älteste Beleg für die jahrhundertelange Beheimatung der österreichischen Sinti und Roma. Durch die Zwangsansiedlung unter Maria Theresia und ihrem Sohn Joseph II. entstanden in vielen Dörfern im heutigen Burgenland eigene Roma-Siedlungen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg ihre Bevölkerungszahl sprunghaft an, sodass in der Zwischenkriegszeit rund 8.000 Roma in 124 Siedlungen lebten, die sich großteils außerhalb der Ortschaften auf Gemeindegrund befanden. Überwiegend waren die Roma arme Landarbeiter und Tagelöhner. Zur Aufbesserung ihres Lebensunterhaltes arbeiteten sie auch als Kesselflicker, Messerschleifer, Korbflechter und Wagner oder waren Musikanten.
Nach der Deportation der burgenländischen Roma in die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager wurden die meisten Roma-Siedlungen von der ansässigen Bevölkerung dem Erdboden gleichgemacht. Größere Siedlungen finden sich heute nur noch in Oberwart, Unterwart und Spitzzicken. (Gerhard Baumgartner)
Inhaltlicher Schwerpunkt / Vermittlungsansatz
Der historische Blick auf die Situation der Roma-Siedlungen im Burgenland, insbesondere in der Zwischenkriegszeit in den 1920er & 1930er Jahren, konzentriert sich auf folgende Themen:
- Ausgrenzung: der Großteil der Roma im Burgenland lebt in Siedlungen außerhalb der Dörfer; Roma-Kinder haben entweder keine Schulbildung oder werden separat, in eigenen »Zigeunerschulen« unterrichtet
- Überwachung, Kontrolle und Stereotypisierung: insbesondere durch die Polizei, die dadurch das Bild, das die Mehrheitsbevölkerung von Roma hat, entscheidend prägt
- Erste Überlegungen zu Deportation und Zwangsarbeit der ansässigen Roma während der »Zigeunerkonferenz« am 15. Jänner 1933 in Oberwart (eine Vorwegnahme der Verbrechen während der NS-Zeit)
Durch historische Bild-Text Vergleiche soll eine differenzierte Wahrnehmung entstehen. Das historische Material über die Ausgrenzung, Überwachung, Kontrolle und Stereotypisierung der Roma im Burgenland erlaubt auch manche Vergleiche mit heutigen Geschehnissen im Zusammenhang mit Minderheitengruppen und erhält dadurch erstaunliche Aktualität.